Die Evangelisch-Lutherische Kirche Frankreichs (EELF)

In Paris wurde im Jahre 1808 eine ziemlich große lutherischen Gemeinde ausländischen Ursprungs zu einer an Straßburg angegliederten Kirche. Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870 wurde 1872 die Evangelisch-Lutherische Kirche Frankreichs gegründet. Im Jahre 2012 zählt sie etwa fünfzig Gemeinden. Am 1. Januar 2013 vereinigt sie sich mit der Reformierten Kirche Frankreichs zur Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs.

Der Ursprung der Lutheraner in Frankreich

Die ab 1516-17 verbreiteten Ideen Luthers (1483-1546) waren im Königreich Frankreich seit 1521 bekannt (Kreis von Meaux). Die ersten Protestanten wurden Lutheraner genannt. Von humanistischen Zirkeln ausgehend verbreiteten sich die neuen Ideen schnell dank Reformatoren wie Guillaume Farel. Die reformierten Kirchen in Frankreich bildeten sich um Jean Calvin, der über Straßburg nach Genf gekommen war, wo er sich niederließ.

Doch seit dem Beginn der Reformation siedelten sich die Lutherischen Kirchen dauerhaft in zwei Gebieten des Germanischen Reiches an, die heute zum französischen Staatsgebiet gehören: das Elsass und die Grafschaft von Montbéliard, damals im Besitz des Fürsten von Württemberg, wo französisch gesprochen wurde. Die Feier des Gottesdienstes wurde dort nach der Aufhebung des Edikts von Nantes nicht unterbrochen.

In Paris war der einzige autorisierte protestantische Gottesdienst zwei Jahrhunderte lang  lutherisch, denn er war für Ausländer auf der Durchreise und für Einwanderer bestimmt. Eine lutherische Gemeinschaft bildete sich in zwei Wellen aus: Die erste im 17. und vor allem 18. Jahrhundert mit aus gemanischen Ländern gekommenen Handwerkern (darunter berühmte Möbelschreiner), die zweite im 19. Jahrhundert mit vom Aufschwung der Hauptstadt angezogenen Arbeitern, dann mit den Elsässern, die ihre infolge des deutsch-französischen Krieges von 1870-71 von Deutschland annektierte Provinz verlassen hatten.

Die Kirche Augsburgischen Bekenntnisses

Im Jahre 1802 hatte Napoleon Bonaparte, Erster Konsul, durch die „organischen Artikel“ die protestantischen, reformierten und lutherischen Gottesdienste erlaubt. Das Elsass und das Land von Montbéliard konnten die für ihre Kirche eigene Verfassung behalten: örtliche Konsitorien, in Inspektionen zusammengefasst, von kirchlichen Pastoren-Inspektoren geleitet, unterstützt von Laien und von einem in Straßburg gegründeten Oberen Konsistorium überwacht, dessen Präsident vom Staat ernannt wurde. So kamen die Lutheraner im Gegensatz zu den Reformierten in den Genuss einer vereinigten Kirche Augsburgischen Bekenntnisses.

In Paris gab es keinen lutherischen Gottesdienst mehr seit Napoleon 1806 die Kapelle der Schwedischen Botschaft geschlossen hatte, in der seit 1626 der Gottesdienst gefeiert wurde. Mit dem Argument, in Paris gebe es 10.000 Lutheraner, und dank der Beharrlichkeit General Rapps wurde eine Anfrage an den Kaiser gerichtet, der per Dekret 1808 die konsistoriale Kirche von Paris gründete, in Abhängigkeit vom Temple Neuf in Straßburg, und ihr die Kirche der „Billettes“ zueignete. Im Jahre 1853 wurde die Kirche von Paris zu einer Inspektion.

Der Krieg von 1870

1871 werden das Elsass und die Mosel zu deutschen Territorien, die Inspektionen von Paris und Montbéliard werden von Straßburg abgeschnitten, ihrem Hauptsitz und ihrer theologischen Fakultät. Eine Synode, die sich im Juli 1872 in Paris versammelt, gründet die Evangelisch-Lutherische Kirche Frankreichs, die zwei kirchliche Inspektionen umfasst:

  • die von Montbéliard, die ihre Position als Mehrheitskirche zu verlieren beginnt
  • die von Paris, die Lutheraner deutscher Herkunft in sich vereint, Elsässer, die französisch bleiben wollten und auch Leute aus Montbéliard.

Die Synode stimmt für eine Verfassung nach dem Synodal-System unter Beibehaltung der 1852 geschaffenen Presbyterräte. Die Verfassung wird durch das Gesetz vom 1. August 1879 anerkannt.

Das erste Anliegen der EELF ist die Gründung einer möglichst gemischt lutherisch und reformierten theologischen Fakultät in Paris. Ein Dekret vom März 1877 gründet diese freie Fakultät, deren Gebäude am Boulevard Arago auf einem der Stadt Paris eigenen Gelände errichtet werden. Die Einweihung findet 1879 statt.

Die lutherische Theologie

Die Säulen des lutherischen Glaubens sind:

  • Solus Christus, Christus ist der einzige Erlöser
  • Sola gratia, er erlöst uns rein aus Gnade
  • Sola fide, der Glaube genügt, um diese Gnade zu erlangen
  • Sola scriptura, die Bibel allein leitet unseren Glauben

Das Apostolische Glaubensbekenntnis bleibt die Grundlage für das Glaubensbekenntnis.

Die symbolischen Bücher im Luthertum sind das Augsburgische Glaubensbekenntnis von 1530 und der Kleine Katechismus Luthers.

Wie die anderen protestantischen Kirchen haben die lutherischen Kirchen zwei Sakramente:

  • die Taufe, Akt des Glaubens und Zeichen der Liebe Christi, kennzeichnet den Eintritt in die Kirche
  • das Abendmahl wird während des Gottesdienstes gefeiert, dem ein ordinierter Pfarrer Das geweihte Brot und der geweihte Wein ermöglichen es, sich dem Leib und Blut Christi zu nähern, dem lebendigen Wort für unser ganzes Sein. Alle Getauften, die Jesus Christus als ihren Erlöser anerkennen, sind eingeladen, daran teilzuhaben. Es ist ein Akt des Glaubens, der eine intime Beziehung zu Christus herstellt, sowie ein Zeichen der Teilhabe mit denen, die daran teilnehmen.

Die lutherischen Kirchen legen großen Wert auf die Suche nach der Einheit der Christen in der Welt. Sie haben eine Liturgie beibehalten, die zum Teil aus dem Ritual der katholischen

Kirche stammt, und sie haben Wechselgesänge angefügt und eine die Liturgie unterstützende Gestik. Christus ist auf dem Kreuz über dem Altar gegenwärtig, einige Pfarrer machen das Kreuzzeichen in Richtung der versammelten Gemeinde.

Die EELF im Jahre 2012

1906 infolge des Gesetzes von 1905 über die Trennung von Kirchen und Staat nimmt die EELF ihre jetzige Form an mit eingetragenen kultischen Verbänden, während die diakonischen Werke sich dem Gesetz von 1901 gemäß zu Vereinen aufstellen.

Wie bei ihrer Gründung umfasst die EELF zwei Gebiete oder kirchliche Inspektionen:

  • die Inspektion von Montbéliard umfasst drei Départements: den Norden des Doubs, das Gebiet von Belfort und den Norden der Haute-Saône. Ihre 31 Gemeinden zählen 35.000 Mitglieder.
  • die Inspektion von Paris umfasst den Rest Frankreichs, ausgenommen Elsass und Mosel, die unter dem Konkordatsregime geblieben sind. Ihre Gemeinden befinden sich in Paris (etwa 10) , rund um Paris (etwa 10), in Lyon und Nizza. Sie zählen ungefähr 6.000 Mitglieder.

Die EELF ist von ihrer Tradition und Sensibilität her sehr offen für die Welt: die Pariser Gemeinden zählen viele Ausländer, die auf der Durchreise sind oder dort wohnen. Sie ist stark engagiert in Missionstätigkeit und Ökumene. Das Pfarramt steht Frauen offen, was seit 1974 genutzt wird.

Die EELF hat 1972 mit der Reformierte Kirche Frankreichs und den lutherischen und reformierten Kirchen von Elsass und Mosel einen protestanisch-lutherisch-reformierten Rat gegründet (CPLR), heute Communion, in dem frankreichweit die europäischen Vereinbarungen umgesetzt werden, vor allem die Anerkennung und die Ausbildung der Pfarrer betreffend.

Die EELF ist Mitglied der Protestantischen Föderation von Frankreich – sie hat 1905 zu ihrer Gründung beigetragen – , des Lutherischen Weltbundes, der Konferenz der Europäischen Kirchen und des Ökumenischen Rates der Kirchen.

Die Vereinigte Protestantische Kirche Frankreichs

Am Ende eines in der allgemeinen Synode von Sochaux 1997 begonnenen Prozesses der Annäherung an die Reformierte Kirche Frankreichs (ERF) hat die EELF sich mit der ERF zu einer einzigen Kirche vereint: „der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs, lutherische und reformierte Gemeinschaft“. Seit dem 1. Januar 2013 ist diese Vereinigung offiziell. Die erste nationale Synode der unierten Kirche hat vom 8.-12. Mai 2013 in Lyon stattgefunden. Die nationalen Instanzen gibt es nur einmal, die Pfarrer bilden eine einzige Körperschaft, aber die Gemeinden (die lokalen Kirchen) bleiben entweder lutherisch oder reformiert.

Die Lutherrose

Der Reformator hatte ein Siegel entworfen, um seine eigenen Bücher zu zeichnen, indem er seine Initialen anfügte. Diese Rose ist im 19. Jahrhundert zum Symbol der lutherischen Kirchen geworden, manchmal fast identisch, oft stilisiert. Als Abbild der Theologie Luthers sollte das Kreuz schwarz sein, um das Leiden auszudrücken, das der Christ erdulden muss: das Herz lag in der Mitte einer weißen Rose, der geistigen Freude; das blaue Feld zeigte, dass diese Freude ein Beginn der himmlischen Freude ist. Der goldene Kreis verdeutlichte, dass die Glückseligkeit im Himmel ewig dauern wird.

Bibliographie

  • Seiten
    • Site de l’Église protestante unie de France | Link

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