Das erste Lutherjubiläum 1617 in Deutschland

Die Jahrestage der Reformation Luthers wurden sehr schnell in den Städten und Ländern des deutschen Reichs gefeiert. Aber erst 1617 kam die Idee auf, den Tag des Thesenanschlags Luthers gegen den Ablasshandel im Herbst 1517 als Beginn der Reformation zu feiern.

Initiative von Wittenberg

  • Luther schlägt seine 95 Thesen in Wittenberg an
    Luther schlägt seine 95 Thesen in Wittenberg an © S.H.P.F.
  • Universität Wittenberg (1502-1813), 19. Jahrhundert © Wikimedia Commons

Die Idee entstand im März 1617 an der theologischen Fakultät der Universität Wittenberg: einige junge Professoren wandten sich an das Oberkonsistorium in Dresden. Dieses wiederum musste den Kurfürst von Sachsen, Johann Georg I, bitten, im ganzen Land am Freitag, dem 31. Oktober 1617 einen „primus Jubilaeus Lutheranus“ (ein erstes Lutherjubiläum) als einen „Gedenktag, der in Dankbarkeit und Feierlichkeit begangen wird“ zu genehmigen. Das Jubiläum hatte bereits einige Vorläufer in der protestantischen akademischen Welt. So hatte die Universität Wittenberg 1602 die Hundertjahrfeier ihrer Gründung begangen: „ein recht Evangelisch Jubelfest“ mit einer Prozession aus Professoren und Pfarrern, mit akademischen Vorträgen und Predigten. Die Bezeichnung „Jubelfest“ setzte sich absichtlich von der Benennung traditioneller Kirchenjubiläen ab, denn die der päpstliche bulle Erlass von 1300 hatte dieses Jahr und alle folgenden vollen hundert Jahre  als „heilige Jahre“ mit der Gewähr eines vollkommenen Ablasses eingesetzt. (Anm. d. Ü.: Ab 1475 findet ein heiliges Jahr alle 25 Jahre statt)

Neu am Vorhaben der Professoren aus Wittenberg 1617 war das Gedenken eines Ereignisses aus Luthers Leben und die Wahl des Datums: des 31. Oktobers 1517. Zwischen zwei katholischen Jubeljahren stellen die Professoren den Anschlag der „95 Thesen Luthers gegen den Ablasshandel“ als Eröffnungshandlung und Symbol der Reformation dar. Daher wirkt der Vorschlag eines „Luther-Jubelfestes“ der Professoren von Wittenberg im Jahr 1617, beschränkt auf das Land Sachsen, polemisch und ironisch zugleich.

Initiative der Reformierten aus der Pfalz

Zwei Wochen später gab es eine andere Initiative einer „evangelischen“ Jubiläumsfeier von Friedrich V, Kurfürst von der Pfalz, und seinen Beratern. Diese Initiative hatte ein doppeltes Ziel: einerseits die Stärkung der protestantischen Union gegen die Heilige katholische Liga angesichts der wachsenden Wahrscheinlichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung, andererseits die volle Anerkennung der Reformierten und die Gleichsetzung mit „denen des Augsburger Bekenntnisses“ (den Lutheranern), zur Festigung des Religionsfriedens von Augsburg (1555). Am 11. April 1617 wurde also in einer Versammlung der Vertreter der protestantischen Union in Heilbronn entschieden, dass der Sonntag, 2. November 1617 Gedenktag sein sollte. Ein Tag des Gedenkens, als Dank für die Segnungen, die die Reformation („Luther und andere gesegnete Personen“) gebracht hatte, und ein Tag des Gebets für das Fortbestehen der evangelischen Glaubensgemeinschaft.

Ein grandioses Jubiläum

Die Initiative des pfälzischen Kurfürsten mußte den Kurfürsten von Sachsen ärgern, der auf dem lutherischen Konkordienbuch bestand und sich weigerte, der protestantischen Union beizutreten. Er nahm das Jubelfest der Reformation in die Hand. Am 12. August 1617 ordnete er an, dass das Jubelfest in Sachsen als ein Hauptfest der Kirche am 31. Oktober sowie am 1. und 2. November gefeiert würde. Für die verschiedenen Gottesdienste dieser Tage wurden biblische Texte, Predigtmodelle und Kirchenlieder vorbereitet.

Das sächsische Programm beeinflusste in seiner Großartigkeit fast alle lutherischen Länder, darunter Dänemark und Schweden, und auch die Städte Straßburg, Nürnberg und Ulm. In den Städten waren an den offiziellen Zeremonien alle politischen, kirchlichen und universitären Autoritäten beteiligt. Die vielzähligen Reden und Predigten und ihre anschließenden Veröffentlichungen behandelten die Hauptthemen der evangelischen Lehre und polemisierten gegen die römisch-katholischen Positionen. Der eschatologische Tonfall des Jahrhundertjahres ist in ihnen erkennbar: Luther wurde als Held präsentiert, der das Ende der Zeiten einleitet, im Gegensatz zum Papst in Rom, der mit dem Antichrist gleichgesetzt wird.

Die Verwendung des Wortes „Jubelfest“, das seit drei Jahrhunderten nicht mehr in Gebrauch war, musste gerechtfertigt werden. Für die katholischen Gegner konnte es sich nur um ein „Pseudo-Jubiläum“ handeln, da keine Schulden, das heißt Ablässe, erlassen wurden. Die protestantischen Prediger leiteten die Bedeutung des Jubiläums aus dem Buch Levitikus ab: Dort ist es ein Dankfest für die Befreiung des ehemals gefangenen Volkes: Luther als neuer Moses gegen den Papst-Pharao. Indem sie diesen Aspekt der Gedenkfeier betonen, wird das Jubiläum zur Gelegenheit, den gemeinsamen Glauben wieder zu erwecken.

Autor: D'après Marianne Carbonnier-Burkard

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