Heute Pfarrer sein

Es bestehen viele Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Berufung, die Ausbildung und die Aufgaben, die den Gemeindepfarrern übertragen sind. Jede protestantische Kirche hat jedoch ihre eigenen Anforderungen gegenüber dem Pastoralamt

Welche Funktionen hat ein Pfarrer ?

Martin Luther definiert sie 1520 in ‚An den Christlichen Adel deutscher Nation‘ : « Das Wort Gottes austeilen und die Sakramente spenden ist eine Aufgabe und eine Funktion, ein Beruf wie der des Schmieds, Bauern oder Fürsten, alle stehen im Dienst der anderen und tragen zum Gemeinwohl bei. »

In seinem Buch ‚Ré-enchanter le ministère pastoral‚ unterscheidet Raphaël Picon 5 Hauptfunktionen :

  • Eine theologische Funktion. Der Pfarrer ist derjenige, der die Gegenwart Christi predigt und lehrt. Er zwingt das, was zu glauben und zu denken ist, nicht auf, er ist frei in seiner Predigt. Er spendet die Sakramente (Taufe und Abendmahl).
  • Eine Zuhörerfunktion. Der Pfarrer begleitet mit seinem Wort die großen Ereignisse des Lebens. Er hilft einem, seine Sorgen Gott anzuvertrauen, seine Gedanken durch biblische Berichte zu ordnen. Der Pfarrer kann auf keinen Fall die Sünden vergeben, aber er verkündigt Gottes Gnade.
  • Eine soziale Funktion. Er soll die Gemeinde und ihre Aktivitäten mit Leben erfüllen : die Gottesdienste, die Taufen, die Eheschließungen, die Beisetzungen, den Katechismus, die Bibelstunden, die gegenseitige Hilfe etc.. Sein Ziel ist es, die Gemeindeglieder zu bewegen, ihren Glauben zu bezeugen und ganz nach ihm zu leben.
  • Eine symbolische Funktion. Als Geistlicher der Kirche repräsentiert er die Möglichkeit einer Transzendenz, des Handelns und der kreativen Gegenwart Gottes für alle, die der Kirche angehören, aber auch für jene, die nicht in ihr sind.
  • Eine Identität schaffende Funktion. Der Pfarrer gibt Orientierung im Glauben und kann jeden in seinem spirituellen Leben bereichern.

Den Vorlieben und Begabungen des einzelnen Pfarrers und den Wünschen seiner Gemeinde entsprechend wird seine Tätigkeit mehr oder weniger vielfältig sein. Er wird bei seiner Aufgabe von Laien unterstützt.

« Es ist üblich zu sagen, dass der Pfarrer im Protestantismus für das Wohlergehen und das gute Funktionieren der Kirche nötig ist, aber nicht für ihr Bestehen selbst, für ihr Fundament., was die These der katholischen Kirche ist » (Raphaël Picon, op. cit.).

Deshalb kann eine Gemeinde auch ein oder zwei Jahre ohne Pfarrer leben.

Pfarrer werden setzt eine solide biblische und theologische Ausbildung voraus.

Man muss Theologie an einer der Fakultäten der protestantischen Theologie im In- oder Ausland studieren Das heute verlangte Diplom ist meistens ein Masterabschluss nach einem vierjährigen theoretischen Studium, gefolgt von einem einjährigen Praktikum, gewöhnlich in einer Gemeinde, dann die Anfertigung einer Arbeit.

Die Wahl der theologischen Fakultät hängt von der Kirche ab, zu der zukünftige Pfarrer gehören will. Unter den Kirchen bestehen gewisse Absprachen, um es den Pfarrern, die es wollen, zu ermöglichen, von einer Kirche zur anderen zu wechseln, ohne das gesamte Studium wiederaufzunehmen. Aber diese Fälle sind letztenendes sehr selten.

Nach den Studium, dem Praktikum und mehreren Aussprachen mit dem Rat der Kirche wird der zukünftige Pfarrer einer Gemeinde zugeteilt, in der er zuerst als Vikar wirkt. Das Vikariat (oder Praktikum) dauert in der Regel 2 Jahre und kann mit einer Probezeit verglichen werden. Nach ihrem Ablauf wird der Pfarrer als solcher in einer von seiner Kirche organisierten Ordinationsfeier anerkannt. Der Pfarrer wird in seinem Amt regelmäßig evaluiert, und die Gemeinde entscheidet, ob er seinen Posten beibehält ; er kann sich auch selbst eine andere Gemeinde aussuchen.

Pfarrer werden ist eine Berufung

Was zunächst den Pfarrer definiert, ist seine innere Berufung, er oder sie fühlt sich von Gott aufgerufen, das Evangelium zu verkünden. Dieser Berufung muss ein Ruf der Kirche entsprechen, d.h., der Gemeinschaft der Gläubigen, die von der Kommission der Ämter oder dem Rat der Kirche repräsentiert wird. Diese Kommission, bestehend aus Pfarrern und Laien, hat die Aufgabe, die Fähigkeit des Kandidaten für das Pastoralamt zu beurteilen. Es gibt mehrere Typen von pastoralen Ämtern in den protestantischen Kirchen : Posten in der Gemeinde, Anstalts-, Kranken-, Gefängnis-, Militärseelsorge, die Missionen, Kirchendienste. Die Kommission der Ämter orientiert den zukünftigen Pfarrer auf sein erstes Amt hin und greift erneut ein, wenn der Pfarrer später das Amt wechseln will.

Wer sind die Pfarrer, und wie leben sie ?

Nach den Statistiken der Protestantischen Föderation (November 2005) haben die Mitgliedskirchen der FPF 1942 Pfarrer, darunter 201 Frauen, in 1118 Gemeinden. Einige große Gemeinden haben mehrere Pfarrer, und einige Pfarrer haben kein Gemeindeamt : die Anstaltsgeistlichen, die auf nationalem oder zentralem Niveau ihrer Kirche arbeiten oder jene, die für karitative Werke und Bewegungen tätig sind.

Die französischen Pfarrer (Elsass und Mosel ausgenommen) werden von ihrer Kirche bezahlt und meistens von ihrer Gemeinde untergebracht. Ihr Gehalt liegt unter dem staatlich garantierten Mindestlohn (SMIC).

Elsass und Mosel werden vom Konkordat geregelt, und die Pfarrer werden vom Staat bezahlt und von der Kirche untergebracht. Ihr Gehalt ist etwas höher als der Mindestlohn.

Eine Studie des Soziologen Jean-Paul Willaime, Profession pasteur (1986), fasst die Meinungen der Pfarrer zu ihrer Arbeitszeit zusammen. Sie sprechen von einer durchschnittlichen 60 Stundenwoche mit einer starken Verschachtelung des privaten und beruflichen Lebens.

Ihre Arbeitszeit lässt sich im Durchschnitt verteilen auf :

  • 26% Gottesdienst und pastorale Handlungen
  • 18% Gespräche und Besuche
  • 13% Unterricht
  • 9% Verwaltung der Gemeinde
  • 8% Gruppenarbeit
  • 8% Besinnung und Meditation
  • 8% persönliche theologische Arbeit und Weiterbildung
  • 6% Engagement außerhalb der Gemeinde
  • 4% Diverses

Diese Durchschnittswerte sind theoretisch und müssen gemäß der individuellen Situation nuanziert werden.

Die Pfarrer können ein Familienleben führen, heiraten und Kinder haben.

Dazugehörige Vermerke