Antiprotestantismus

Das Ende des Jahrhunderts ist geprägt von einer Protestantenfeindlichkeit, die durch die Dreyfus-Affäre – bei der sich Katholiken und Protestanten gegenüberstehen – weitere Nahrung erhält, wobei die antirepublikanische Rechte die „jüdisch-protestantische“ Allianz anprangert.

Die republikanischen Protestanten als Feind der Nation, wie Maurras sie definierte

  • Protestantische Gefahr von Ernest Renauld © S.H.P.F.

Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhundert herrscht ein Antiprotestantismus, dessen Virulenz heute vergessen ist. Die Veröffentlichung der beiden Bücher Le Péril protestant (1899) und La Conquête protestante (1900) des Nationalisten Ernest Renauld markiert den Höhepunkt dieser Protestantenfeindlichkeit.

Der wesentliche Moment ist die Dreyfus-Affäre, bei der sich – sehr schematisch gesehen – Katholiken und Protestanten gegenüberstehen. Die Dreyfus-Affäre erklärt auch die Bezeichnung „Judenprotestantismus“. Dieser ist angeblich bezeichnend für diese Republik, die von der katholischen und nationalistischen Rechten, deren führende Vertreter Edouard Drumont, Maurice Barrès, Charles Maurras sind, bekämpft wird. Von dieser antirepublikanischen Rechten werden die Bündnisse, und auch Übertritte, zwischen jüdischen und protestantischen Familien angeprangert, die auch in dem Roman L’Évangéliste von Alphonse Daudet thematisiert werden. Die protestantenfeindlichen Polemiker sehen in der durch gemeinsame Haltungen und Denkweisen entstandenen Verbundenheit zwischen Protestanten und Juden, die bei der Etablierung der neuen Republik oft zusammenwirken, ein Komplott. Sie klagen die „Dreierallianz“ zwischen Juden, Protestanten und Freimaurern an.

Die nationalistische Presse erinnert an die ausländische Herkunft bestimmter Familien, wie der Familie Waddington und der Familie Monod. Maurras verunglimpft sie als „kosmopolitischen Stamm, der mit allen germanischen und angelsächsischen Rassen der Welt verschwägert ist“. Manche Autoren gehen sogar noch weiter, sie erklären : „Religionen sind Rassen“ und beschreiben eine Konfrontation zwischen der „katholischen keltisch-lateinischen Rasse“ und den Rassen der „protestantischen Germanen und Angelsachsen“.

Es wird die „hugenottische Oligarchie“ angeklagt, indem auf die von Protestanten, oft ehemaligen liberalen Pastoren oder Theologen, eingenommenen gewichtigen Stellungen in hohen Beamtenpositionen hingewiesen wird, von denen die Katholiken fast ausgeschlossen seien. Es wird die ständige Präsenz von Protestanten in den verschiedenen Ministerkombinationen hervorgehoben, was sich durch die politische Diversität der protestantischen Notabeln (angesehene Persönlichkeiten der bürgerlichen Oberschicht) erklärt. Die Polemiker unterstreichen vor allem die maßgebliche Rolle der Protestanten im Erziehungswesen (die Protestanten und die Schaffung des republikanischen Unterrichtssystems). Für Renauld war dieses neue Schulwesen nicht wirklich bekenntnisneutral, sondern von den Vorstellungen einer religiösen Minderheit durchdrungen.

Die „protestantische Partei“ beging angeblich Verrat an Frankreich. Die koloniale Expansion des katholischen Frankreichs, das auf das protestantische England stößt, lässt die Leidenschaften aufwallen. Ein Beispiel dafür ist der Madagaskarkonflikt, wo den Protestanten vorgeworfen wird, sie arbeiteten dem madagassischen Nationalismus und den britischen Missionen, dem „perfiden Albion“, in die Hände.

Nicht nur antinational sei der Protestantismus, sondern mit seinem Prinzip der freien Erforschung auch politisch subversiv. Er habe zur französischen Revolution geführt und könnte nun die Entwicklung auf einen Zustand der Anarchie zutreiben, mit der Gefahr einer despotischen Reaktion, wie die Calvins in Genf. Aus dem Protestantismus sei der Kapitalismus hervorgegangen, den Leo XIII. gerade verurteilt hatte, ja sogar der Sozialismus, indem er jede Hierarchie zwischen den Menschen abschaffe.

Die Trennung von Kirche und Staat und die Rehabilitierung von Dreyfus führen zu einem Abschwellen der Angriffe gegen die Protestanten. « Damit kommt es zu einer Lockerung der Schicksalsgemeinschaft zwischen Protestanten und Juden. Während die Ersteren nun wieder voll in die nationale Gemeinschaft eingegliedert sind, sie immer weniger als verschieden wahrgenommen werden, sind die Zweiten Zielscheibe eines immer giftiger werdenden Antisemitismus. Als 1940 ein stark klerikal gefärbtes Regime an die Macht kommt, (…) wird diese judenfreundliche Einstellung, die den französischen Protestanten so besonders eigen ist, erneut effektiv unter Beweis gestellt. » (C’est alors que la communauté de destin dans la République se relâche entre les protestants et les Juifs : les premiers achèvent de réintégrer la communauté nationale, leur différence commençant à se banaliser, tandis que les seconds sont en but à un antisémitisme qui n’en finit plus de s’aigrir. En 1940, à l’avènement d’un régime aux fortes allures cléricales, (…) ce philosémitisme, très particulier aux protestants français, se retrouvera, très agissant., P. Cabanel).

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