Die Fluchtbewegung in die Vereinigten Provinzen und die Republik der Geisteswissenschaften

Die Hugenotten spielten eine entscheidende Rolle in der Verbreitung der französischen Sprache in ganz Europa von den Vereinigten Provinzen aus. Aber die sprachliche Assimilation der Flüchtlinge führt zur allmählichen Auslöschung des Französischen.

Die geflüchteten Hugenotten

Eine große Anzahl von Lehrern, Journalisten, Schriftstellern, Geistlichen sind in die Vereinigten Provinzen geflüchtet. Diese Intellektuellen der Fluchtbewegung sind zunächst die Pastoren. Man schätzt die Zahl der Pastoren und Theologieprofessoren, die Frankreich verlassen haben, auf 680; 405, das heißt 60% davon sind in den Vereinigten Provinzen angekommen. Nicht alle haben eine Stelle gefunden und etwa 30 mussten weiterziehen, ein

Viertel hat eine Stelle als Hilfspfarrer annehmen müssen. Gleich nach ihrer Ankunft haben sie versucht, ihre Berufsbedingungen wieder zu schaffen, von Pädagogik bis zum intellektuellem Leben, und dafür haben sie die einzigen Werkzeuge benutzt, die sie hatten mitnehmen können: die Sprache und Bücher. Im Buchhandel und in der Presse war die Rolle der Hugenotten am bedeutendsten. Insgesamt bildeten sie den Ausgangspunkt einer „hugenottischen Internationalen“, die sich in ganz Europa herausbildet, gestützt auf den Druck einer literarischen, wissenschaftlichen, philosophischen Presse in französischer Sprache.

Der Buchhandel

Er hat zu allen Zeiten eine bedeutende Rolle gespielt. Unter den 230 in Amsterdam registrierten Buchhändlern zwischen 1680 und 1735 waren 80 Flüchtlinge. Die Vervielfältigung der vorgeschlagenen Manuskripte führte zu einem Anstieg der Produktion von Drucken in französischer Sprache. Die Mehrheit der Leser konnte Französisch, auch wenn sie es schlecht sprach; die Verbreitung des Französischen wurde

dadurch vervielfacht, viele dieser Bücher waren nämlich Übersetzungen von englischen oder deutschen Autoren. Einige dieser Bücher behandelten religiöse Themen.

Pierre Jurieu (1637-1713), der ab 1681 nach Rotterdam geflüchtet war, nachdem Ludwig XIV.

die Akademie von Sedan geschlossen hatte, gibt seine berühmten „Hirtenbriefe an unsere Brüder, die unter der babylonischen Gefangenschaft seufzen“ heraus, dazu bestimmt, die Stimmung der in Frankreich gebliebenen Protestanten zu heben, wo diese Briefe heimlich verbreitet werden.

Zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften entstehen, die vor allem aus Besprechungen von neueren Werken bestehen, sozusagen Auszügen, die das Wissen gemeinverständlich darstellen. Amsterdam verfügt über das älteste und umfassendste Informationsnetz. Dank der Pressefreiheit – eine eventuelle  Zensur konnte erst im Nachhinein stattfinden – konnte sich die Zeitschriftenpresse schnell entwickeln. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden die Zeitschriften aus Amsterdam, Den Haag, Leyden schon in ganz Europa gelesen, und als die Große Fluchtbewegung die Hugenotten über ganz Europa verstreute, vergrößerte sich das Gebiet der Verbreitung, da sie den Lesern die besten Informationen über die Lage in Frankreich boten.

 

Auf literarischem Gebiet

Pierre Bayle (1647-1706) veröffentlichte 1684 das erste Heft der Nouvelles de la République des Lettres (Neuigkeiten aus der Republik der Gelehrten), der ersten Literatur-Zeitung, die es kultivierten Menschen erlaubte, die neuesten veröffentlichten Werke kennenzulernen. Ihren Erfolg verdankt sie ihrer Unabhängigkeit, ihrer Unparteilichkeit und dem Fehlen von Polemik. Ab 1685 in Frankreich verboten, wird sie heimlich verteilt und bis hin zum Hof gelesen. Da sie auf Französisch abgefasst ist, trägt sie weithin zur Verbreitung des Französischen bei. Auch Bayles Wörterbuch, das „für eine große Anzahl von Leuten die Bibliothek ersetzt“, wurde weit verbreitet, besonders in England und Frankreich.

In beiden Werken wird betont, „dass es sich hier nicht um Religion handelt, sondern um Wissenschaft … und alle Gelehrten sollen sich als Brüder dieser Republik ansehen, die ein extrem freier Staat ist“. In einem Artikel des Wörterbuchs sagt ein befragter Autor, er sei weder Franzose, noch Engländer, noch Spanier, sondern ein Bewohner der Welt im Dienst der einzigen Wahrheit. Sein Erfolg hängt auch von den Leuten ab, mit denen sich Bayle zu umgeben wusste, Leibniz, Fontenelle für die Mathematik, Denis Papin für die Physik, Leeuwenhoek für die Mikroskopie, Huygens in Astronomie. Sein Nachfolger Henri Basnage de Beauval schuf Die Geschichte der Werke der Gelehrten. Diese Tätigkeit war finanziell sehr einträglich und verbreitete die europäische, vor allem französische Kultur.

Die Hugenotten haben überall in Europa Zeitungen gegründet: die Hamburger Zeitung von einem Pastor, der aus Millau kam, die „Neue Zeitung der Gelehrten“ von Pastor Chauvin aus Nîmes. Sie gründen Zeitschriften, die das lebendige Denken verschiedener Nationen darstellen: englische, dann britische Bibliothek, italienische Bibliothek, germanische Bibliothek.

Die Rolle der Übersetzer

Diese ist von großer Bedeutung. Latein ist für eine große Anzahl Leser unerreichbar geworden. Nicht alle lesen Deutsch und noch weniger Englisch. Nur das Französische kann eine internationale Mittlerrolle spielen. Alle diese französischen Flüchtlinge spielen daher eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung der Kultur der Aufklärung. Ein Hugenotte aus der Bretagne übersetzt Spinoza; Jean Barbeyrac, in Béziers geboren, Sohn und Bruder eines Pastors, wird, nachdem er die Schweiz durchquert hat, Professor des öffentlichen Rechts in Groningen und übersetzt die Werke des Deutschen Pufendorf, eines Verteidigers des Naturrechts. Diese Übersetzer nehmen sich zuweilen Freiheiten mit dem lateinischen Original heraus. Die Feindschaft Barbeyracs gegenüber dem Absolutismus der Könige Frankreichs bringt ihn dazu, eine persönliche Anmerkung in seiner Einleitung hinzuzufügen, die auf englisch übersetzt ist, um die Verbreitung zu vermehren, die berühmte Inschrift

„Ist das Volk für den Prinzen oder der Prinz für das Volk gemacht?“ Pfarrer Mazel aus den Cevennen übersetzt das erste Werk des englischen Philosophen Locke und der künftige Pastor von Uzès, Pierre Coste, übersetzt die englische Version seines berühmten Essais.

Die englische Sprache, damals auf dem Kontinent schlecht bekannt, hat von den Übersetzungen stark profitiert, das Englische hat sich des Französischen, das alle konnten, bedient, um die Werke und Ideen zu verbreiten, die auf der Insel veröffentlicht wurden.

Sowohl Herausgeber als auch Übersetzer haben die Verbreitung der französischen Sprache erleichtert und all diese von 1685 traumatisierten Intellektuellen haben einen großen Beitrag dazu geleistet, die französischen, englischen oder deutschen Ideen über das Recht der kleinen Leute, die Toleranz, das Sozialrecht zu verbreiten. Die Hugenotten haben die Verlagerung der zentralen, katholischen, mediterranen Achse zu der protestantischen weiter im Norden erleichtert.

Die sprachliche Assimilation

Das Verschwinden des Französischen ging schnell vonstatten, außer vielleicht bei den Eliten. Die Hugenotten sind schnell zu Englisch, Deutsch und Niederländisch übergegangen.

Von einer Generation zur anderen hat sich die französische Sprache verändert, konnte aber als Adelstitel oder Identitätsmerkmal bestehen. Im liturgischen Gebrauch oder für religiöse Lektüren überlebte das Französische zum Teil länger, denn in diesem Bereich haben die Gemeinden zuweilen getrennt weitergelebt.

Bibliographie

  • Bücher
    • CABANEL Patrick, Histoire des Protestants en France (XVIe-XXIe siècle), Fayard, 2012
    • WAQUET Françoise et BOTS Hans, La République des lettres, Belin, Paris, 1997

Dazugehörige Rundgänge

  • Die hugenottische Fluchtbewegung, genannt « Refuge »

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